Bei einem vollständigen Matriarchat sind drei wesentliche Bedingungen erfüllt:
- Die Erbfolge läuft in der weiblichen Linie (sog. Matrilinearität)
- Der Wohnsitz ist matrilokal, d.h. die weiblichen und männlichen Nachkommen bleiben ein Leben lang in der Muttersippe wohnen
- Die lebensnotwendigen Güter wie Land, Häuser, Tiere und Feldfrüchte sind in Frauenhand, in der Regel bei der Clanvorsteherin oder Matriarchin.
Fehlt eine dieser Voraussetzungen, deutet dies auf eine beginnende Patriarchalisierung.
Klassische matriarchale Gesellschaften lassen sich auf vier Ebenen charakterisieren:
Ökonomische Ebene – Ausgleichsgesellschaften
- Garten- oder Ackerbaugesellschaft
- Land und Haus als Sippenbesitz, nie als Privateigentum
- Frauen verfügen über die entscheidenden Nahrungsgrundlagen
- ständiger ausgleichender Austausch der lebensnotwendigen Güter
Soziale Ebene – Verwandtschaftsgesellschaften
- Matriarchale Sippen, die durch Matrilinearität und Matrilokalität zusammengehalten werden
- Wechselheirat zwischen je zwei Sippen (mit Ergänzungen)
- Besuchsehe auf Seiten der Männer
- soziale statt biologische „Vaterschaft“
- nicht-hierarchische, horizontale Verwandtschaftsgesellschaften
Politische Ebene – Konsensgesellschaften
- Konsensbildung im Sippenhaus
- Konsensbildung auf Dorf- und Stammesebene, wobei die Delegierten Kommunikationsträger und keine Entscheidungsträger sind
- Abwesenheit von Klassen und Herrschaftsstrukturen
Weltanschauliche Ebene – Sakrale Gesellschaften
- Konkreter, auf die Sippe bezogener Wiedergeburtsglaube
- Kult der Ahninnen und Ahnen
- Verehrung der mütterlichen Erde und eines weiblich verstandenen Kosmos
- immanente Heiligkeit der Welt
- Abwesenheit dualistischer Moral
- vollständige Symbolisierung des Lebens und Handelns
Quelle:
Heide Göttner-Abendroth: Das Matriarchat. Stuttgart, Kohlhammer 1988 ff.